Hundeerziehung leicht gemacht - mit Klapperdosen und Wasserpistolen?

 

 

Immer wieder lese ich, dass man einen Hund, der bellt oder ein anderes unerwünschtes Verhalten zeigt, doch einfach mit der Wasserpistole kurz anspritzen soll. Das sei gar nicht schlimm, es tut ja nicht weh und es unterbricht das Verhalten, so dass man die Aufmerksamkeit des Hundes wieder auf sich richten kann. Und vielfach funktioniert es ja auch - zumindest scheinbar und kurzfristig. Andere raten dazu, eine Klapperdose neben den Hund zu werfen. Das ist ja keine Gewalt, aber es erschrickt den Hund und unterbricht das Verhalten....

 

Wie definieren wir den Begriff "Gewalt"? Sicherlich sind wir uns alle darüber einig, dass es physische und psychische Gewalt gibt. Ein Tier, das völlig anders funktioniert als ein Mensch, und dessen Verhalten zu einem grossen Teil von Instinkten geprägt ist, empfindet nicht nur Schläge als Gewalt. Sondern auch Aktionen, die es zutiefst erschrecken und bei denen aufgrund der angeborenen Instinkte alle Alarmglocken läuten. Aktionen, welche Flucht- oder Angriffsverhalten auslösen, sind Gewalt am Tier. Ein für uns harmloser Wasserstrahl ist für den einen Hund lustig, ein Spiel. Für den anderen nicht weiter tragisch und für den Dritten zutiefst bedrohlich. Wenn zudem das Timing nicht stimmt (und das Timing ist für sehr viele Hundebesitzer ein grosses Problem), kann der Wasserstrahl eine folgenschwere Fehlverknüpfung beim Hund auslösen. Beispiel: mein Hund bellt, wenn Leute am Gartenzaun vorbeigehen. Ich beschliesse, ihm das ein für allemal mit Hilfe der Wasserpistole abzugewöhnen und positioniere mich mit dem Hund im Garten. Ein Hund kommt vorbei, mein Hund bellt. Ich spritze meinen Hund an. Im selben Moment, in dem ich das tue, richtet sich der Blick meines Hundes auf ein ebenfalls vorbeilaufendes Kind mit Fahrrad. Der Hund stellt nun die Verknüpfung her: Kind und Fahrrad kommt, etwas für mich Unangenehmes passiert, also ist das Kind mit dem Fahrrad eine Bedrohung für mich. Und schon haben wir eine Fehlverknüpfung, die nicht ohne Folgen bleiben wird. Der Hund hat etwas gelernt - aber das Falsche!

 

Andere Hunde erschrecken so sehr, dass sie künftig Meideverhalten zeigen. Warum da plötzlich ein Wasserstrahl kommt, verstehen sie nicht - vor allem nicht, wenn das Timing nicht exakt ist. Sie wissen nur, dass für sie aus heiterem Himmel etwas sehr Unangenehmes passiert; etwas, das sie nicht kommen sehen und nicht verstehen. Ein unsicherer Hund wird noch unsicherer. Aus Unsicherheit entsteht Meideverhalten - um solchen für ihn schrecklichen Konsequenzen zu ergehen, wird Hund versuchen, dem künftig zu entgehen. Und dann eben kein Verhalten mehr zu zeigen. Daraus kann mit der Zeit die sogenannte Erlernte Hilflosigkeit entstehen.

 

Es gibt keine schnellen und einfachen Mittel, einen Hund zu erziehen! Es gibt keinen Knopf, den man drückt, damit sich die Probleme in Luft auflösen. Hundeerziehung ist Arbeit und sie ist mit viel Mühe und Aufwand verbunden. Es ist ja schon schwer genug, ein Kind zu erziehen - und das spricht unsere Sprache! Ein Hund tut das nicht und muss alles von Grund auf lernen - denn was wir von unseren Hunden verlangen hat absolut nichts mit hündischen korrekten Verhaltensweisen zu tun. Beispiel: wir wollen, dass unser Hund mit uns Blickkontakt aufnimmt, uns ansieht, wenn wir mit ihm kommunizieren. In der Hundesprache ist das direkte Ansehen aber nicht nur absolut unhöflich, sondern es ist eine offene Provokation. Hunde müssen erst lernen, dass es erwünscht und gut ist, wenn sie mit uns direkten Blickkontakt aufnehmen.

 

Inzwischen weiss man, dass es auch anders geht. Man kann Hunde erfolgreich ohne jedwede Form von körperlicher oder seelischer Gewalt erziehen. Das geht nicht schnell, aber es funktioniert. Wir müssen unseren Hunden zeigen, was sie dürfen, welches Verhalten sich für sie lohnt - anstatt ihnen immer nur zu zeigen, was für sie negative Konsequenzen haben könnte. Wir müssen endlich aufhören, Hunde immer gleich als "dominant" zu bezeichnen, ohne wirklich zu wissen, was das Wort wirklich bedeutet. Wir müssen lernen, ihre Sprache zu verstehen und mit ihnen so zu kommunizieren, dass sie uns auch verstehen können. Wir müssen die Führung übernehmen und ihnen Sicherheit geben - dazu bedarf es weder Wasserpistolen, noch Klapperdosen oder Alpharollen. Für viele Probleme bräuchte es einen wirklich guten Trainer, der vor Ort die Situation beurteilt und uns bei der Hundeerziehung unterstützt. Oftmals können wir in der Erziehungsgruppe helfen - und tun das gerne. Aber es gibt kein Allheilmittel - jedes Problem, jede Frage muss man individuell betrachten um eine gute Lösung zu finden. Und das geht! Und zwar ganz ohne aversive Erziehungsmethoden.

 

Von Beate Bittermann